Wenn Menschen fragen, worum es in unserem diesjährigen Stück geht, ist es nicht leicht, eine Antwort zu finden. Meist lautet sie: „Um Liebe. Und um Scheitern.“ Hört man, dass es in einem Theaterstück um Liebe geht, erwartetet das Publikum zunächst vielleicht eine romantische Geschichte: boy meets girl, zwischendurch Drama und happy end. Der französische
Gegenwartsdramatiker Joel Pommerat aber zeigt uns unterschiedliche Seiten der Liebe: Ihre Abwesenheit, ihre Schüchternheit, ihre Gewalt und ihr Ende.

Aufführungen am 8., 9. und 10. Juli, jeweils um 19:30 Uhr im Innenhof des RaMa.

Tickets unter tickets@theater-am-rama.de

Aber wie ist das zu begreifen? Ein Theaterstück über den Verlust von Liebe, Sehnsucht und Fehlschlägen? Warum setzen wir uns freiwillig seit einem Jahr mit diesen Themen auseinander und bringen fünfzehn Szenen auf die Bühne, in denen die Protagonist:innen schmerzliche Dysfunktionalität
erleben?

In vielen Diskussionen haben wir uns als Gruppe mit diesem Thema beschäftigt: Warum ziehen uns Geschichten vom Scheitern an, warum begegnen uns in der Literatur mittlerweile mehr Antihelden als
Gewinnertypen und warum fasziniert uns literarisches Leid?

„Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ ist eine Szenensammlung, die uns unmittelbar in unterschiedlichste Lebensrealitäten versetzt. So begegnen wir eine Prostituierten, die seit Jahren mit dem gleichen Priester schläft, landen auf einer Hochzeit, die zu einem Familienstreit eskaliert und begleiten einen Mann, der täglich das mehr oder weniger gleiche Gespräch mit seiner dementen Frau führt.

Die Momente, die wir mit den Protagonist:innen auf der Bühne erleben, sind skurril, vielleicht erschreckend und viele von ihnen können weh tun, wenn sie uns unmittelbar berühren. Immer wieder bemerken wir bei den Proben, wie nah uns diese fiktiven Personen gehen können, und wie wir uns selbst in einzelnen Zügen der Charaktere wiederfinden, ihre Wut, Ratlosigkeit, Verzweiflung und Stärke spüren. Denn in der „Wiedervereinigung der beiden Koreas“ geht es nicht darum, sich selbst in fiktivem Unglück zu geißeln, sondern darum, das Leben darin zu erkennen. Darin, dass sich Figuren ihre Autonomie erkämpfen und es dafür in Kauf nehmen, etwas zurückzulassen, dass Gefühle, die unansprechbar scheinen, einen Ausdruck bekommen, dass in jeder noch so bizarr anmutenden Szene Wahrheit steckt. Furcht und Mitleid ergreifen uns und schicken uns erneut auf die Suche nach dem eigenen Weg, nach Selbsterkenntnis und Umgang mit Schmerz, und Wegen, der inneren Stimme zu folgen.

Warum wir uns damit im Gewand eines fünfzehnteiligen szenischen Theaterstückes auseinandersetzen, ist für uns darin greifbar, dass wir uns darin hinterfragen und persönlich reflektieren müssen, was es für jede:n von uns bedeutet, sich in Augenblicken wiederzufinden, in denen die Liebe schmerzlich ist. Dabei kann das Theater zu einem Ventil werden, zu einem Schlüsselloch oder zu einem neuen Weg, der uns Erkenntnisse über uns, das Leben und die Liebe schenkt.

Maja Goertz

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